Kein Heiliger ohne Werbekampagne

Kein Heiliger ohne Werbekampagne

Warum wir unseren Nikolausbrauch findigen PR-Genies verdanken, und was das Image dieses Super-Heiligen mit cleverem Marketing zu tun hat.

Artikel erschienen in der "bz Zeitung für die Region" am 6. Dezember 2025, Autorin: Delphine Conzelmann

Was muss ein Heiliger tun, um sich einen prominenten Feiertag wie den 6. Dezember zu ergattern? Um sich einen liebevollen Kosenamen und massig Konterfeis aus Schokolade zu verdienen? Das was wir über den historischen«Niggi Näggi» wissen können,reicht dafür auf jeden Fall nicht aus. Nikolaus von Myra war einer von unzähligen Bischöfen der frühen Kirche, und auch eines der unzähligen Opfer der damaligen Christenverfolgung. Vielleicht hat er am bedeutenden Konzil von Nicäa im Jahr 325 teilgenommen.Vielleicht aber auch nicht. Zu den überragenden Figuren seiner Zeit gehört Nikolaus deshalb bei bestem Willen nicht.

Wie kam es also dazu, dass wir den Heiligen bis heute so freudvoll zelebrieren? Sein Geheimnis steckt Sankt Nikolaus in den Knochen – wörtlich!
Wie die meisten Heiligen kam nämlich auch Nikolaus erst im Mittelalter, viele Jahrhunderte nach seinem Tod, zu seinen Lorbeeren. Dann, als in Europa der Reliquien-Handel regelrecht explodierte. Ab dem 11. Jahrhundert waren die Knochen von Heiligen nämlich «Big Business». Eine seltene Reliquie zubesitzen, erlaubte es Klöstern und Ortschaften, zum Tourismus-Magnet zu werden, und sich an den grossen Pilgerströmen eine goldene Nase zu verdienen.
Darauf hatte es auch eine Bande wohlhabender Händler aus dem italienischen Bari abgesehen, die 1087 nach Myra, in die heutige Türkei reisten. Dies unter dem Vorwand, das Skelett des Lokalheiligen Nikolaus, der dort an seinem Heimatort aufbewahrt wurde, zu bewundern. Doch wenig später fand sich Nikolaus von den Knöcheln bis zum Schädel in einer eigens für ihn gebauten Basilika in Bari wieder. Der Grabraub wird dort noch heute, ganz schamlos, mit einem eigenen Feiertag am 9. Mai zelebriert.

Auch Heilige brauchen PR
Zum Glück für unseren Niggi Näggi waren die Kaufleute von Bari nicht nur dreiste Diebe, sondern auch wahre PR-Genies.
Um aus dem gestohlenen Gerippe Profit schlagen zu können, machten sie aus dem bis dato nebensächlichen Bischof mit geschicktem Marketing einen der beliebtesten Heiligen Europas. Nikolaus wurde zum kirchlichen Tausendsassa erklärt, und war bald schon Schutzpatron der Seefahrer, der Rechtsanwälte, der Apotheker, der Metzger, der Kinder, der Diebe und vieler mehr.
In puncto Werbekampagne stand Nikolaus seinem späteren Nachfolger, dem Coca-Cola-Weihnachtsmann, in nichts nach. Innert Kürze verbreiteten sich europaweit Berichte über die spektakulären, anrüchigen und schockierenden Wunder, die der heilige Nikolaus angeblich vollbracht haben soll. Schliesslich lebte Nikolaus im spätantiken Myra mitten im Sündenpfuhl: Bordelle, Badehäuser und Trinkhallen säumten die Strassen, Gewalt und Kriminalität waren an der Tagesordnung. Ein Setting, das die mittelalterliche Fantasie anregte. So lesen sich auch die meisten der Klausen-Legenden wie Seiten aus einem Boulevardblatt. So soll der historische Nikolaus nachts nicht Kindern «Nuss und Biire», sondern drei jungen Frauen ein Säckchen Gold als Mitgift gebracht haben, um sie vor Prostitution zu bewahren.

Nikolaus, der Draufgänger
Drei unschuldige Feldherren rettete er vor dem sicherenTod, als er tollkühn einem Scharfrichter das Schwert aus der Hand riss. Und sogar mit der heidnischen Göttin Diana legte er sich an: Ihr böses Komplott vereitelte er, indem er das «griechische Feuer» – ein hochentzündliches Öl, das Byzantiner als Kriegswaffe einsetzten – ins Wasser goss, und so wortwörtlich das Meer in Flammen steckte.
Als schliesslich auch noch ein altes Gerücht wieder in Umlauf gebracht wurde, der Bischof habe am berühmten Konzil von Nicäa dem Häretiker Arius eine saftige Ohrfeige verpasst, war sein Image komplett. Die mittelalterlichen Fans des Heiligen sahen ihn nicht als alten, bummligen Niggi Näggi mit Rauschebart, sondern als Draufgänger für den Glauben. So gesehen kommen die Santigläuse, die heuer wieder auf ihren Harley-Davidson durch Basel fahren, dem echten Nikolaus wahrscheinlich näher, als der gängige Mandarinli-verteilende Moralapostel. Die Grabräuber aus Bari würde es freuen: Ihre Image-Kampagne hat ihr Ziel übertroffen. Denn auch 2025 noch ist ihr gestohlener Bischof der coolste Heilige weit und breit.

Artikel erschienen in der bz Zeitung für die Region am 6. Dezember, zu lesen unter folgendem Link: https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/stantiglaus-die-geschichte-des-nikolaus-von-myra-ld.4088171